Reisebericht Türkei, 7. Teil


Ende und Rückfahrt

Gerne hätten Rolf und ich für die Fahrt von Izmir nach Istanbul eine Schiffspassage gebucht. Leider verneinte unsere Reisekasse diese Möglichkeit. Ich versuchte daher, dem Sohn des Hoteliers meine neue Citizen-Uhr für 100 US-Dollar zu verkaufen. Das wäre für mich ein sehr gutes Geschäft gewesen und hätte uns die Fahrt mit der Fähre ermöglicht. Der Vater kam während unserer Verhandlung aber dazwischen und sagte immer wieder zu seinem Sohn „Cok“ und „Japon“. Was so viel wie „teuer“ und „Japan“ bedeutete. So wurde nichts aus dem Deal und der Schifffahrt.

Unsere Fahrt zurück ging am Freitag, 17.09.66, aus mancherlei Gründen rascher als die Hinfahrt vonstatten. Wir hatten ab Izmir einen intakten Bus neuster Bauart, der für die Fahrt nach Istanbul drei Stunden weniger benötigte. Allerdings fuhr er auch nicht die "Abkürzung" über die Prärie. Wir verzichteten sowohl in Izmir als auch in Istanbul auf eine Übernachtung, legten also die Rückfahrt von Kusadasi nach Gelsenkirchen quasi nonstop zurück.

In Istanbul nutzten wir am 18. September den sechsstündigen Aufenthalt für die Besichtigung der schönsten und wichtigsten Bauwerke. Ein Schuhputzer, der seine Dienste vor der Hagia Sophia anbot, ruinierte meine bequemen, wildledernen Hush Puppies mit irgendeiner Paste und verlangte dafür auch noch 5 US-Dollar, die er aber nicht bekam. Der Zug ab Istanbul war der D 102, der aus dem selben schlechten Wagenpark wie bei der Hinfahrt gebildet war. Ein leichter Regen begleitete unseren Zug aus Istanbul hinaus. Der Himmel weinte...

Wir hatten keine Augen für die Lokomotive vor einem Zug in Sofia, der ein Treibrad fehlte; die verschlungenen Wege der zahlreichen Wasserläufe, die interessanten Städte und spektakulären Landschaften waren uns gleichgültig; das Kommen und Gehen unserer Mitreisenden berührte uns nicht. Uns war es egal, welcher elende Hundekadaver Zugang in die erbärmlich aussehende Wurst im Würstchenstand von Dimitrovgrad erlangt hatte. Mich störte nicht der aufdringliche Zöllner in Jugoslawien, der als Bedingung für eine problemlose Weiterfahrt von mir meinen Fingernagelknipser verlangte; er bekam ihn. Wir waren müde, und unser Ziel war Gelsenkirchen. Und dort wollten wir so schnell wie möglich hin.

In München aßen wir eine Kleinigkeit. Eine Mitreisende im D 503 erzählte uns, dass am 14. September ein deutsches U-Boot (S170, Hai) in der Nordsee gesunken sei. Das machte mich betroffen, weil ich bis Ende März noch bei der Marine gewesen war und das Schiff kannte.

Am 21. September 1966, Dienstag, waren wir um sieben Minuten nach Mitternacht wieder in Gelsenkirchen Hbf; pünktlich auf die Minute, nach dreieinhalb tausend Kilometern Bus- und Bahnfahrt. Den letzten Abschnitt vom Hauptbahnhof nach zu Hause legten wir aus Kostengründen mit der Straßenbahn zurück. Nach dem Bezahlen der Fahrkarten war auch unser letzter Pfennig ausgegeben. Die Linie 1 der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG fuhr um 0:36 vom Hbf ab und war um 0:53 Uhr an der Haltestelle Bahnhof Zoo. Rolf schlief bei uns, weil zu dieser Uhrzeit keine Straßenbahn zur Wodanstraße verkehrte. Wir waren über 83 Stunden nahezu ohne Schlaf unterwegs gewesen. Irgendwie fühlten wir uns urlaubsreif.

 

Nach einem guten Urlaub verhält es sich häufig so, dass man schöne Erinnerungen gewinnt und Freunde zurücklässt. Wir hatten noch während unseres Aufenthalts in Kusadasi beschlossen, einst wiederzukommen. Nur hatte die Zeit etwas anderes mit uns vor. Rolf war mit seinem Studium beschäftigt, ich heiratete. Dann plante ich, Anfang der siebziger Jahre mit meiner Frau die Türkei und insbesondere Kusadasi zu besuchen - Inshallah! Dieses Vorhaben wurde durch die Geburt unserer ersten Tochter zunichte gemacht. Später ging es öfter nach Spanien und danach waren wir auf ein Jahrzehnt frankreichfixiert, später zog es uns in die ganz weite Welt. So ist es stets bei dem Wunsch einer Rückkehr zu Freunden an diesen wunderschönen Orten geblieben. Wenn ich mir heute in Reiseprospekten und im Internet die Stadt Kusadasi ansehe, bin ich beim Anblick der Bilder doch sehr schockiert. Was ist aus diesem schönen, beschaulichen Städtchen gemacht worden? Was ist aus "unserem" Strand und seiner idyllischen Umgebung geworden? Ein Touristenrummelplatz, eine rundherum zugebaute Betonwüste! Was mag mit den Menschen geschehen sein, die wir lieb gewonnen hatten? Bestimmt werden sie nicht mehr abends nach dem ersten Raki den armen Makarios über die Klinge springen lassen (was sicher gut ist). Auch wird kein Linienbus mehr eine "Abkürzung" über die Prärie wählen und - es würden keine "Pinseläffchen" da sein. Ich glaube, es ist besser, mit den phantastischen Erinnerungen zu leben, als an einem Ort, den man kaum mehr kennt, vergeblich nach ihnen zu suchen. Die Enttäuschung wäre zu groß.

Die "Pinseläffchen" sahen wir im Herbst 1966 in Wiesbaden und Gelsenkirchen wieder. Danach haben sie das getan, was seit einem Jahr vertraglich fixiert war. Sie haben ihren neuen Arbeitsplatz angetreten, als Krankenschwestern in Australien. Wir haben nie wieder von ihnen gehört.

 

 Wo sind die Fotos?

Anfangs berichtete ich, dass Rolf zur Erzielung besserer Resultate einen UV-Sperrfilter vor das Objektiv seiner Sucherkamera setzte. Dieser Filter blieb während des gesamten Urlaubs auf der Optik. Kann ja nicht schaden, sagten wir uns. Als Rolf die Dias von der Entwicklungsanstalt zurückerhielt, bemerkte er sofort die Unschärfe der Aufnahmen. Die genaue Inspektion des Zubehörs ergab, dass sich während des gesamten Urlaubs statt des UV-Filters eine Nahlinse vor dem Objektiv befunden hatte. Deshalb haben wir keine brauchbaren Bilder von unserem zauberhaften Urlaub in der Türkei. Nur die Erinnerung ist geblieben, die mittlerweile so verschwommen wie die alten Fotos ist. Und neuerdings gibt es diese Geschichte mit dem einzigen gelungenen Foto, das Rolf schoss, bevor er den „Filter“ vor die Frontlinse setzte. Zwar hat mir das Türkische Fremdenverkehrsamt sehr schöne Bilder zur Verfügung gestellt, auch habe ich mir die Genehmigung für die Veröffentlichung anderer privater Fotos eingeholt. Es sind aber Fotos aus der Gegenwart. Sie passen nicht in diese Geschichte. Sie bilden nicht das ab, was wir, Rolf und ich, gesehen und erlebt haben in den unvergesslich schönen Wochen des Sommers 1966.

 

Erst im Jahre 2011, also 45 Jahre danach, haben meine Frau und ich die Küste der Ägäis bereist und auch die Orte gesehen, die ich 1966 nicht fotografiert hatte. Die Fotos und der Reiseverlauf von 2011 sind auf meiner Türkei Seite veröffentlicht.

 

Hier geht es zum Bericht und zu den Fotos von Kusadasi

 

Hier geht es zum Bericht und zu den Fotos von Izmir

 

Hier geht es zum Bericht und zu den Fotos von Ephesos

 

Hier geht es zum Bericht und zu den Fotos vom Eisenbahn-Museum in Camlik

 

Fortsetzung 8. Kapitel: Fahrpläne und Unterlagen

 

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