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Istanbul 1966 Nachdem der "Tauern-Orient" nach über 44 Stunden Fahrt mit schreienden Bremsen in der Halle des Bahnhofs Istanbul-Sirkeci angehalten hat, verlassen wir ihn unsicheren Schrittes, wie Seemänner, die nach langer Fahrt erstmals wieder festen Boden unter den Füßen spüren. Anhand des Hotelführers und des Stadtplans ist die Richtung zu unserer nahe gelegenen Unterkunft schnell ausgekundschaftet und zurückgelegt. Das Hayyam-Hotel hatten wir uns für eine Übernachtung ausgesucht. Schnell etwas frisch gemacht und die Kleidung gewechselt! Wichtig ist, jeglichen Blickkontakt mit dem lockenden Bett zu vermeiden, denn wir haben seit fast 60 Stunden kaum geschlafen und sind todmüde. Es ist tags und heiß und die prächtige Stadt lockt mit ihren unzähligen Sehenswürdigkeiten, da muss der Schlaf noch etwas warten! Die meisten historischen Gebäude sind vom Bahnhof Sirkeci aus sehr gut zu Fuß zu erreichen. Auf einer Fläche von ungefähr drei mal zwei Kilometer konzentrieren sich hier in Bahnhofsnähe die Highlights der Stadt. Wir machten uns auf, den Großen Basar zu besichtigen. Dort wollten wir auch etwas essen. Der Basar von Istanbul ist ein unüberschaubarer Ort, eine kleine, fremde, endemische Welt für sich, der viele tausend Geschäfte beherbergt. Es ist hier nicht so heiß wie in der Stadt. Das Dach schützt vor Sonne im Sommer und vor Regen im Winter. Viele Kilometer ziehen sich die überdachten, halbdunklen Straßen und Gassen wie in einem Labyrinth kreuz und quer dahin. Der Lärm der Handwerker dringt herüber, das Stakkato der Kupferschmiede, die preisenden Rufe der Teppichhändler, und unzählige Gerüche und Düfte wehen einher. Die Geschäftsmänner sitzen geduldig auf ihren Teppichen oder Stühlen in oder vor ihren offenen Läden, beobachten wachsamen Blicks, bieten an, wägen ab, rauchen Zigaretten oder nuckeln an Wasserpfeifen, reden und trinken Kaffee. Schaulustige drängeln sich. Bahnt sich ein Geschäft an, so stehen die Verkäufer jedem Besucher mit ihren goldenen oder silbernen Waren, den Edelsteinen und Teppichen, dem Hausrat und den Lebensmitteln, der Kleidung aus Stoff, Seide oder Leder und den bunten, zu Türmen gehäuften Süßigkeiten und den betörend duftenden Gewürzen bereitwillig zur Verfügung. Ein Tabakladen bietet Meerschaumpfeifen an. Man zeigt Interesse, bekommt einen Mokka oder Tee angeboten; das Geschäftliche kann warten. Zuerst wird Freundschaft aufgebaut. Weltgewandt stimmt der Händler in das Wörtergeflecht unterschiedlichster Sprachen ein, Babylon scheint ihm fremd zu sein. Alltägliches wird debattiert und auf Deutsch nach dem Woher und Wohin gefragt. Almanya? Anerkennendes Nicken: "Gut!" Erst langsam nähert man sich schlangengleich und vorsichtig dem Grund der Anwesenheit und den Objekten der Begierde. Der Verkäufer will möglichst viel von dem Geld des Kunden, der Käufer möchte die Ware tunlichst gratis haben. Dazwischen steht wie ein schwebender Ballon der Preis. So kam es, dass wir hier nach vielem Zerren an der Ballonschnur unsere schönen Meerschaumpfeifen erstanden. Wir haben natürlich gehandelt, wie es sich auf einem Basar gehört, und wir waren stolz auf den letztendlich erzielten Kurs. Der Händler gab uns jedenfalls das Gefühl, als Sieger aus diesem ungleichen Wettbewerb hervorgegangen zu sein. Wir kehrten irgendwo innerhalb des Basars ein und genossen reichlich von den orientalischen Gaumenfreuden: Hammelfleisch mit Reis und Imam Bayildi (Rezept im Kapitel 8) und viele süße, unbekannte Sachen. Hiernach weihten wir bei einem Glas Wein unsere neuen Pfeifen ein und beendeten so zufrieden und erschöpft unseren ersten Tag in der Stadt auf den sieben Hügeln. Wir kehrten in unser Hotel zurück und konnten endlich schlafen, schlafen, schlafen... Fortsetzung 3. Kapitel: Die chaotische Busfahrt
(Den vollständigen Bericht können Sie in meinen Büchern lesen)
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