Döneken Nr. 51 - 60



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An einem sonnigen Samstagnachmittag (Jahr und Monat weiß ich nicht mehr) stand ich auf der Schanz und bearbeitete meine Seestiefel mit Lederfett, um sie wieder geschmeidig zu bekommen. Plötzlich kam ein Unteroffizier der Radarmixer auf mich zu und meinte, ich solle mit ihm kommen. Ich erklärte ihm dann, dass ich kein Versorgungsgast vom Dienst sei und deshalb nicht mitkäme. Wenn er was benötige, müsse er den Versorgungsgasten vom Dienst suchen. Er ließ aber nicht locker und forderte mich immer wieder zum Mitkommen auf, ohne mir aber sagen zu wollen, um was es ging.
Um nun endlich meine Ruhe zu haben brachte ich Stiefel und Lederfett ins Deck. Er stand derweilen oben am Niedergang und passte auf, dass ich auch ja wieder hochkam. Nachdem ich mir die Hände gesäubert hatte führte er mich in die OPZ, wo ein kleiner Umtrunk der Radarmixer im Gange war. Man lud mich ein, mitzutrinken. Das ließ ich mir natürlich nicht zweimal sagen, und es wurde ein gemütliches Besäufnis. Dieses endete aber plötzlich sehr schnell als ein Radarunteroffizier den Oberdecklautsprecher anstellte und durchs Mikro fragte: "Welcher Idiot hat mich bei der Marine eingestellt?" Diese Frage schallte über den ganzen Hafen, und wir verließen fluchtartig die OPZ.
Bis heute weiß ich nicht, wie ich zu der Ehre kam, von den Radarmixern zum Mittrinken eingeladen worden zu sein. Peter Engler



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Zerstörer 1 war im Januar 1966 auf der Fahrt von Lissabon nach Santa Cruz de Tenerife.
Eines Nachmittags erschien überraschend der Kommandant, Fregattenkapitän Jürgen Götschke, im Funkraum. Während er sich mit uns unterhielt registrierte ich, wie im Nebenraum aus dem ständig auf der internationalen Seenotfrequenz (500 kHz) eingeschalteten Empfänger ein schwaches und von allerhand Störungen überlagertes SOS-Signal zu hören war. Sofort fuhr ich mit einem lauten „SOS!“ in die Unterhaltung und eilte mit den anderen anwesenden Funkern zum Empfänger. Wir notierten den Funkspruch und gaben die gemeldete Position an die Brücke weiter. Von dort erhielten wir die Nachricht, dass sich das in Seenot befindliche Schiff - ein brennender Fischkutter - östlich von Schottland befinde.
Da wir keine Hilfe leisten konnten, ordnete der Kommandant an, dass wir bei Bedarf mit Funkunterstützung helfen sollten.
Das war das erste und einzige Mal, dass ich ein echtes SOS-Signal gehört hatte. Einem wird dabei doch ganz schön anders, wenn man Kameraden in Not weiß. Heinz Albers



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Natürlich haben wir während unserer Zeit in Norfolk (1963) Frauen erlebt, die so ganz und gar nicht unserem Klischee über die ach so wehrhaften, selbst- und nationalbewussten, unnahbaren Frauen dort entsprachen. So hatte einer unserer Obermaate während eines gemeinsamen Landgangs eine Soldatin der US-Navy kennengelernt, die ihm einfach nur "süß" und aus seiner Sicht ganz "unamerikanisch" gegenübertrat. Vor allem aber fand unser Obermaat, dass sie seiner Lieblingsschauspielerin Ingeborg Schöner aus dem Gesicht geschnitten war. Die Hübsche hieß also Sharon Chapman und kam aus San Francisco.
Es ereignete sich zwischen unserem verliebten Helden und seiner US-Soldatin über die Wochen hinweg - die Menschen in den USA sind ja traditionell prüde - rein gar nix außer Händchenhalten. Man war jedoch dermaßen ineinander verknallt, dass der arme, sehnsüchtige Z1-Mann eigentlich gar nicht mehr nach Kiel zurückwollte, wo seine Braut wartete.
Beim ersten Bordfrühstück nach Antritt der Rückreise nach Kiel gab es für jeden einen kleinen Beutel Radieschen, und darauf stand sinnigerweise "Chapman's Raddich" (Radieschen). Ich schwöre, dass unser todtrauriger Held in der U-Messe zu sehen war, wie er in seinem Elend beim Anblick dieser ganzen Radieschenbeutel um ein Haar in Tränen ausgebrochen wäre. Lothar Soll



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In Zuschriften, die sich mit unseren „Döneken“ befassen, wird gelegentlich die Frage gestellt, was wir Marinesoldaten auf Zerstörer 1 außer Saufen eigentlich getan haben. Um allen etwaigen weiteren Fragestellern sofort den Wind aus den Segeln zu nehmen, hier ein paar Hinweise zu unserem Dienst auf See:
Die wöchentliche Arbeitszeit ergab sich aus einer Siebentageswoche, in der mindestens 86 bis 92 Stunden Dienst unter schwierigsten physischen, psychischen und technischen Bedingungen geleistet wurde. Eine durchgängige Nachtruhe war aufgrund des Wachensystems und der häufigen nächtlichen Gefechtsalarme nicht möglich. Das galt für die komplette Besatzung. Berufssoldaten, Zeitsoldaten und Wehrpflichtige teilten dieses Los bis auf ein paar Ausnahmen gleichermaßen. Ein Freizeitausgleich für die lange Arbeitszeit wurde nicht gewährt.
Die Wahrung der Disziplin verlangte es, die Soldaten ständig bis an die Leistungsgrenze zu beschäftigen, um keinen schädlichen Müßiggang einreißen zu lassen.
Erst wenn wir in einem Hafen festmachten, konnten wir einen annähernd „normalen“ Dienstablauf erwarten.
Richtig ist der Einwand, dass Zerstörer 1 ja nicht ständig auf den Meeren unterwegs war. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass Z 1 während meiner einjährigen Dienstzeit an 144 Tagen auf See war. Das ist eine Quote von knapp 40 Prozent. (Einzelheiten dazu gibt es hier.)
Außerdem waren wir von den 365 Tagen des Jahres mit unserem Schiff an 219 Tagen nicht im Heimathafen Kiel. Das war eine zusätzliche Erschwernis für die Soldaten, die mit ihren Familien in Kiel und Umgebung wohnten.
Unter diesen Umständen ist erklärlich, dass dem Alkohol hin und wieder zugesprochen wurde, auch darum, weil das Freizeitangebot auf einem seegehenden Zerstörer zu meiner Zeit gegen Null tendierte. Außer viel frischer Luft wurde nicht viel Zerstreuung geboten. Bezeichnenderweise gibt es dazu dieses etwas ältere Döneken: Eine frisch verliebte Seeziege stand nachts auf der Brücke und dachte an seine Liebste daheim, die er einige Wochen nicht sehen wird. Aus seinem Innersten löste sich plötzlich ein tiefer, inbrünstiger Seufzer. Der Erste Offizier vernahm diesen Laut und wandte sich väterlich an den jungen Mann: „Na, Seemann, was seufzt du so?“ Die Antwort von dem so aus seinen Gedanken Gerissenen lautete spontan: „Am liebsten Bier!“ Heinz Albers



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Vor der Amerikafahrt 1965 waren wir Versorger mit der Übernahme von zusätzlichem Material (Ersatzteile, Kojenzeug, Handtücher, Toilettenpapier, Reinigungsmaterial usw.) voll beschäftigt, als es plötzlich hieß: "3. Wache der 3. Division in die Kleiderkammer zum Zusatz-Wäscheempfang." Mein Versorgungsmeister Onkel Jonny schärfte mir ein: "Engler, sieh zu, dass du zuerst dran kommst, Du weißt, wir sind am Ausrüsten." Also marschierten wir zur Kleiderkammer. Unsere Unteroffiziere gingen zuerst hinein. Als ich auch mit ihnen hineingehen wollte, wurde ich von einem Unteroffizier wieder hinausgeschickt, mit der Begründung, zuerst kämen die Unteroffiziere dran. Ich versuchte ihm dann zu erklären, dass mein Versorgungsmeister meine schnellste Rückkehr an Bord erwartete, da wir am Ausrüsten wären. Das störte ihn aber nicht. So kam ich erst verspätet an Bord zurück, was mir einen Anschiss von Onkel Jonny einbrachte, obwohl ich ihm den Grund erklärte.
Als wir dann mit Zerstörer 1 über den Atlantik schipperten und ich samstags Versorgungsgast vom Dienst war, dachte ich aus Langeweile, guck mal in der Vorpiek nach, ob noch alles an Ort und Stelle liegt. Wenn man in die Vorpiek kam, war links unser Schrank mit Kojenzeug und Handtüchern, direkt rechts ging ein Luk zu den Ersatzteilen runter und hinter diesem Luk war ein Schapp mit Toilettenpapier und Reinigungsmaterial. Hinter dem Schrank mit dem Kojenzeug war das Sani-Materiallager und danach kam ein Luk zum Büromateriallager, in dem wir auch Dienstgrad- und Fachrichtungsabzeichen aufbewahrten. Darunter war der Raum für die Ankerkette. Als ich also im Büromateriallager war hörte ich, wie sich oben Schritte näherten und jemand rief: "Ist da wer?" Ich ging also zum Luk zurück und sah den bewussten Unteroffizier oben stehen. Daraufhin entwickelte sich folgendes Gespräch:
Er: "Engler, ich habe gerade Wachfrei und brauche noch ein paar Fachrichtungs- und Dienstgradabzeichen, um sie mir anzunähen."
Ich: "Ausgabezeiten sind jeden Montag bis Samstag, morgens von acht bis neun Uhr."
Er: "Ich sehe die Abzeichen doch dort unten liegen."
Ich: "Und dort bleiben sie auch liegen."
Er: "Ich komme auch gerne runter und hole sie mir."
Ich: "Unterstehen Sie sich, dies ist mein Reich und dort haben Sie nichts zu suchen."
Er: "Engler, stell Dich doch nicht so an."
Ich: "Tu ich auch nicht! Aber da ich Ihnen den Anschiss vom Versorgungsmeister zu verdanken habe, weil ich nicht früher aus der Kleiderkammer zurück an Bord kam, sehe ich nicht ein, warum ich Ihnen jetzt helfen soll."
Also musste er unverrichteter Dinge wieder abziehen. Er bekam am Montagmorgen seine Abzeichen.
Später kamen wir beide dann gut miteinander aus. Peter Engler



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Alle Mannschaftsteile waren mit dem Verladen von Material und Verpflegung beschäftigt, auch die Funker. Schließlich waren Vorräte für 250 Mann, die mehrere Wochen, ja Monate reichen mussten, an Bord von Zerstörer 1 zu bringen.
Ich war dem Obermaaten M..... zugeteilt und musste mit ihm Konserven in die tiefsten Hellegats des Schiffs transportieren. Als wir uns irgendwann in einer Last in Höhe der Bilge von der Schlepperei verholten, griff er zu einem großen Taschenmesser und sagte wörtlich zu mir: "Jetzt essen wir uns mal was ganz Delikatesses!" Daraufhin stemmte er mit dem Messer eine Dose mit Ananas auf, die wir uns teilten. Gemeinsam genossen wir also etwas ganz "Delikatesses". Er hatte es gut gemeint.
Angenehmer empfand ich den Transport des Frischfleisches. Da wir heftig ins Schwitzen gekommen waren, tat der Aufenthalt in den eisigen Kühlräumen gut.
Ein gewisses Unwohlsein spüre ich aber heute noch, wenn ich daran zurückdenke, wie unsanft wir einige Tage später in Jägersberg ("Marine Munitionsdepot Laboe") mit der Munition für unsere Geschütze umgegangen waren. Heinz Albers



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Je mehr Beiträge in den Döneken erscheinen, desto kräftiger wird die Erinnerung an diese Zeit auf Z 1. Nachfolgendes Erlebnis spricht Bände. Am 1. Dezember 1964 wurde ich auf Zerstörer 1 zum Obermaaten befördert. Dies geschah während einer Seereise. Die Beförderung fand natürlich den Abschluss in der U-Messe, wo es dann reichlich Bier und anderen Alkohol gab. Ich hatte nicht mit einem Streich der Kameraden gerechnet. Diese hatten aber schon vorgesorgt und meine neuen Dienstgradabzeichen mit Hilfe eines Bürotackers auf meinen Schlafanzugärmel getackert. Beim Schlafbeginn hatte ich noch nichts gemerkt, aber als ich am anderen Morgen aufstand, bildete sich plötzlich ein Rudel von Kameraden um mich und man zeigte mit dem Finger auf mich, den frisch beförderten, blamierten Obermaaten Thole. Die Kommentare waren dementsprechend. Unter den Herumstehenden waren bestimmt 50% Funker, denn diese Typen waren diejenigen, die die meisten Streiche ausheckten. Da fällt mir noch ein, dass diese Fachrichtung es wunderbar verstand, sich zu verholen. Wenn andere zum Reinschiff eingeteilt wurden verschwand diese Spezies in den Funkraum, kam mit einem Chronometer wieder und begann in aller Ruhe die Uhreneinstellronde. Komischerweise war die Ronde genau mit dem Ende des Reinschiffes zu Ende, genial. Gruß aus dem Emsland. Ernst Thole



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Z 1 - D 170

Es war die beste Zeit, mit den Besten der Besten.

Eine sehr gelungene Dokumentation. Und in der Tat habe ich noch zwei Kameraden gesehen. Fahre übrigens heute immer noch als Kapitän eines Großseglers. Wolfgang Baus



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Während eines Schießmanövers bekam der Ortungsoffizier vom Kommandanten den Auftrag, mit unseren tollen Radargeräten den Versatz des Schiffes beim Schießen einer Breitseite zu messen. Er übermittelte uns diesen Wunsch und bekam zu hören, dass mit unseren Geräten keine Meter gemessen werden können. Er hatte nicht den Mut, das dem Kommandanten zu sagen und hoffte, dass dieser seine Anfrage vergessen werde. Nach dem Schießen der ersten Breitseite kam prompt von der Brücke die Frage nach dem Versatz. Während wir uns noch ratlos anschauten, meldete einer, ich glaube es war Obermaat Degenhardt, einen Versatz von 2,30 Meter. Als wir später in die U-Messe kamen redeten alle davon, dass das Schiff bei einer Breitseite 2,30 m zur Seite geschoben wird. Wir haben diese Aussagen nicht kommentiert. Rolf Melchers



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Einen "Versatz" des Zerstörers nach Feuern einer Breitseite gab es natürlich nicht. Das Thema "Rückstoß nach Feuer-Lee" war seit 1897 bei Geschützen weitgehend erledigt. Sicher wollte sich unser Kommandant nur einen Scherz mit uns erlauben.
Es gab aber den Schalldruck. Peter Engler hat in seinem Döneken (Nr. 16) schon recht glaubwürdig auf die Wirkung der gewaltigen Druckwelle hingewiesen.
Turm Bravo stand in der selben Höhe und nur ein paar Meter von unserem Funkraum entfernt. Beim Abfeuern eines Geschosses von diesem Geschütz flog im Funkraum alles durch die Gegend, was nicht befestigt war, der Staub rieselte aus allen Ritzen herab. Man hatte den Eindruck, von einer unsichtbaren Faust getroffen worden zu sein. Natürlich war es in dem Moment auch unmöglich, die Morsetaste zu bedienen. Heinz Albers



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Auf der Reise zu den Kanarischen Inseln 1966 war auch mein Vater (FKpt W. mit einem Sonderauftrag des Flottenkommandos) als sog. 'Badegast' an Bord und wohnte natürlich beim SWO und mir auf der Kammer. Mein Schreibtisch befand sich - wie üblich - in einem Zustand höherer Unordnung. Das behagte meinem alten Herrn überhaupt nicht, so dass er erst einmal Ordnung schaffte. In diesem Moment kam der Aufklarer herein, stutze und sagte dann die klassischen Worte: " Das möchte ich auch einmal erleben, dass ein Kapitän für mich den Schreibtisch aufklart!" Kurt D. Wachsmuth


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