Döneken Nr. 31 - 40



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Die Zeit auf Z 1 war sicherlich die intensivste in meinem Leben, ich habe noch heute das Gefühl, dass wir unsere Lebenszigarre vorne und hinten angesteckt hatten. Ernst Thole



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Als ich am 1. Oktober 1964 auf den Dampfer kam, war in der Schreibstube auch ein Hauptgefreiter der Reserve. Dieser wäre zum 30.9.64 entlassen worden. Er hatte aber darum gebeten, eine Reserveübung anhängen zu dürfen, um mit zur U-Jagd in die Biskaya und anschließend weiter nach Gran Canaria fahren zu dürfen. Er machte u.a. auch den Postbüddel für Z 1 und spielte meistens Walfisch, d.h. er war im Tran. Eines Morgens zog er den weißen Mützenbezug auf, der nur im Sommer getragen werden durfte, und begab sich nach Kiel. Keiner von uns dachte sich was dabei.
Als wir dann im Dezember 64 von unserer Reise nach Kiel zurück kamen, verließ er den Dampfer Richtung Heimat. Kurze Zeit später kam eine Anfrage der Feldjäger, was aus der Anzeige gegen den HGefr. d. R. geworden sei. Keiner wusste was. Auf Nachfrage stellte sich heraus, dass er von den Feldjägern in Kiel mit seiner "Sommermütze" erwischt worden war. Auf die Frage, warum er mit weißem Mützenbezug rumlief, habe er geantwortet: "Der Geschwaderkommodore und der Geschwaderpostbüddel dürfen auch im Winter mit weißem Mützenbezug rumlaufen". Da dies vor dem Auslaufen zu unserer Auslandsreise passiert war, liegt die Vermutung nahe, dass er die Anzeige abgefangen hatte, um die Fahrt mitmachen zu dürfen. Peter Engler



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Mein erstes Kommando als Maat nach der MUS Plön war 1964 eine Landfunkstelle in Flensburg, wo es mir äußerst gut gefiel, da ich regelmäßig meinem Sport nachgehen konnte. Und deshalb war ich auch umso saurer, dass ich schon nach 3 Monaten auf den Zerstörer 1 versetzt wurde. Ich grüßte nicht einmal einen Oberleutnant, der mich am ersten Tag freundlich ansprach. Mit einem unwirschen und völlig unmilitärischen Abwinken ließ ich ihn einfach stehen. Bekanntlich war es ein richtig netter Offizier, der das nicht verdient hatte. Mir war aber alles egal und wollte nur durch meine Trotzreaktion zeigen, dass ich keine Lust hatte, hier zu dienen. Gottseidank kam auch keine Retourkutsche von irgendeiner übergeordneten Stelle.
Dieses Geschehen wurde aber durch einen altgedienten Obermaaten beobachtet, der dies den anderen Unteroffizieren berichtete und andeutete, der neue Maat sei ein ganz Cooler und ohne jeden Respekt. Quintessenz aus dieser Geschichte war jedenfalls, dass ich es bei den Kameraden leichter hatte und die Kennenlernphase stark verkürzt wurde. Dass dies wirklich nur eine Trotzreaktion war, ich wollte ja wieder weg von diesem unseligen Zerstörer, hatte keiner bemerkt. Nach einer Eingewöhnungszeit wurde ich dann später ein meistens ganz zufriedener Funker. Eine wahre Geschichte, zu deren Zeitpunkt ich noch nicht „Ede“ genannt wurde. Bis heute glaube ich, dass dieser Name vom Obermaaten Hermann Degenhardt kam, den ich gerne grüßen möchte, natürlich auch alle anderen mir bekannten Kameraden. Gert Stumm



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Als die Fletcher "bemannt" werden sollten, wurde auch unser Herrgott bemüht. Der fragte schließlich die Steine, ob sie Zerstörerfahrer werden wollen. Und die Steine sagten: "Lieber Gott, wir sind nicht hart genug! Klaus Reher



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Nachdem wir 1965 mit Z 1 das Trockendock in Philadelphia befahren hatten und das Wasser abgepumpt wurde, standen viele an der Reling, um das seltene Schauspiel des kontinuierlich sinkenden Wasserspiegels zu beobachten. Ein Kamerad fotografierte die Situation, indem er sich weit über die Reling beugte und die Kamera senkrecht nach unten hielt. Bei einer unvorsichtigen Bewegung glitt ihm der Fotoapparat aus der Hand und fiel in das Dock. Ein neben ihm stehender Seemann kommentierte ganz trocken: "Vorher hattest du eine Agfa Klack, jetzt hast du eine Agfa Kluck." Heinz Albers



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Es war während des Aufenthaltes in Norfolk. Wir wurden ja nicht gerade mit Nachrichten aus der Heimat verwöhnt. Da ich ein gesteigertes Interesse an der gerade gestarteten Bundesliga hatte, war ich sehr heiß auf die Funkzeitung, die am Wochenende durch den Springerverlag (soweit ich mich erinnere) gesendet wurde. Nur das Schicksal war, dass meine Funker nicht immer bereit waren, sich in der Freizeit in der Funkbude aufzuhalten um diesen kostenlosen Service für uns aufzufangen.
Soweit die Voraussetzung für das nachfolgende Erlebnis:
Wieder war das Wochenende vorbei, keine Fußballergebnisse aus der Heimat. Wer war Schuld? Die faulen Funker! Es wurde in der U-Messe folglich kräftig gemotzt; ich war wohl einer der Lautesten. Es hat geholfen, am anderen Tag lag die Funkzeitung vor mir. Als Obermotzer wurde mir das erste Exemplar persönlich überreicht. Ich habe dann den Inhalt , der in Kurzform wiedergegeben war, völlig verschlungen. Mir kamen die Ergebnisse der Bundesliga irgendwie spanisch vor. Als ich dann auch noch die kichernden Kameraden der Funkerfront sah, schwante mir Böses. Was war passiert? Die Kameraden hatten sich einen Spaß erlaubt und halt mal kurz eine Funkzeitung "erfunden". Ich habe nie wieder über die fehlende Funkzeitung geklagt. Zur Entschuldigung der Funker muss ich gestehen, es war nicht immer der fehlende Wille sondern oft auch die Funkverhältnisse im Äther, die einen geregelten Empfang manchmal verhinderten. Ernst Thole



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Bootsmann Bauseneick hatte mich im Februar 65 für 7 Tage nach Lütjenburg in den Knast gebracht. Als er mich wieder abholte sagte ich zu ihm: "Herr Bootsmann, ich habe seit einer Woche kein Bier mehr gehabt." Und er entgegnete: "Ich spreche mit dem Fahrer, denn wir können jetzt schlecht zur Knast-Kantine fahren." Der Fahrer erklärte sich bereit und fuhr unterwegs eine Kneipe an, bei der er den Wagen so auf den Hof stellte, dass niemand das Bundeswehrauto erkennen konnte. Nachdem der Bootsmann und ich etliche Bierchen gelenzt hatten fuhren wir weiter. Kurz vor Kiel mussten wir beide dann pullern. Der Fahrer fuhr mit uns zu seiner Wohnung, wo wir uns erleichtern konnten. Sodann stellte er eine Flasche Weinbrand und eine Flasche „Hörnerwhisky“ auf den Tisch. Den nahm seine Frau ihm jedoch weg und sagte nur: "Erst bringst du die beiden heile auf den Dampfer und dann kannst du trinken!" Also haben der Bootsmann und ich "nur" die Flasche Weinbrand geleert und ließen uns danach zum Schiff fahren. Auf Zerstörer 1 musste ich mit dem Bootsmann in die Portepeemesse, in der wir beide weiterzechten. Montags sagte mir der UvD: "Ich habe schon vieles bei der Navy erlebt, aber dass einer so besoffen aus dem Knast zurück kommt und das noch mit seinem Begleiter, kannte ich noch nicht".
Nachdem ich aus dem Knast zurück war, ging ich am Montagmorgen zum Kommandanten FKpt. Hänert um mich an Bord zurück zu melden. Er fragte mich: "Wo warst Du denn?", und ich sagte ihm, dass er mich doch zu 7 Tagen Bau verdonnert habe. Er sagte nur: "Ist gut, dann geh mal auf Deine Station." Er war nicht nachtragend, deshalb hätten wir ihn liebend gerne mit uns in Amerika gesehen. Das Gegenteil war unser Wachtmeister OBtsm. Anders, der jedes Mal wenn er mich lachen hörte (ohne den Grund zu wissen) fragte: "Engler, willst Du wieder in den Knast?"
Peter Engler



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Toll finde ich diese Geschichte mit unserem Radarmeister. Ich wusste nicht, dass er auch Arrestantenbegleiter war. Eine Seele von Mensch, den ich nur einmal recht wütend erlebt habe. In Eurem Deck hatte am Schwarzen Brett jemand aus BAUSENEICK durch einen Dreher NAUSEBEICK gemacht. Da ich einen guten Draht zu den Gasten hatte, sollte ich "mal rumhorchen". Ich kam zu dem Ergebnis, die "Untat" sei in Richtung FRITZ LANG, MÜCKE, KITZERAU zu vermuten. Habe ihm dann aber "erfolglose Ermittlungen" gemeldet. Klaus Reher



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Checkpoint Charly ist den meisten Z1-Fahrern der 60er ein Begriff. Charly kümmerte sich um alles und jeden. Das führte dazu, dass er den Kopf voll hatte und auch deshalb manches vergaß. Er stand an Oberdeck und brüllte in seinem unverwechselbaren berlinerischen Tonfall hoch zum Feuerleitdirektor und zitierte mich runter. Das dauert ja ein bisschen, bis man unten ist. Als ich vor ihm stand, wusste er natürlich nicht mehr, was er von mir wollte. „Machen Sie den Knopf an ihrer Bluse zu!“ Sprach's und ging davon.
Tage später ließ er mich über Bordlautsprecher zu sich auf die Kammer rufen. Ich ließ mir Zeit, musste ja nachdenken, ob mir Ungemach drohte. Charly saß vor einem Berg Papieren. „Sie sind doch technischer Zeichner!“ „Jawohl Herr Oberleutnant!“ „Dann streichen Sie mir mal diesen Satz hier durch!“ Es wurde die sauberste Streichung in einem Schriftstück.
Erst später erfuhr ich, was er von mir wollte. Ich sollte ihm einen Rollenplan zeichnen. Der hing später neben seiner Kammertür. Auf dem waren alle Rollen eingetragen. Wahrscheinlich als Gedächtnisstütze. Charly ist schon lange pensioniert, und ich sehe ihn ab und zu in der Stadt. Er hat sich kaum verändert. Ihr würdet ihn sofort wiedererkennen. Bodo Wetzel



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Eines Sonntags hielten ein Funkerkamerad und ich uns während der Liegezeit in Kiel im Funkraum auf. Da nichts zu tun war, hatten wir unsere beiden 500 Watt Kurzwellensender hochgefahren und in Betrieb genommen. Es war uns bekannt, dass das an Land streng verboten war, weil andere – vor allem auch zivile – Funkdienste dadurch gestört werden konnten. Unser Plan war, einmal Funkkontakt mit der weiten Welt aufzunehmen. Aus dem FOGCOMPLAN entnahmen wir die Frequenz einer Seefunkstelle in Japan. Da der Betrieb der Sender für uns immer noch etwas Geheimnisumwittertes bedeutete, achteten wir nur darauf, dass die großen Senderöhren nicht übermäßig rot glühten. Wir tasteten einen Funkspruch voller Q- und Z-Gruppen los und warteten mit lauschenden Ohren an den Empfängern auf Antwort – vergebens. Etwas frustriert fuhren wir die Sender wieder herunter. Am nächsten Morgen kam unser Funkmeister Jatzkowski auf uns zu und fragte, ob jemand von uns am Sonntag die Sender hochgefahren habe; es läge eine Beschwerde der Post vor. „Nööh...“, logen wir ihn unisono an. „Dann ist ja gut“, sagte er. Und das war’s. Heinz Albers



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Wenn Charly auch manches vergaß, so schien er doch über so etwas wie ein fotografisches Gedächtnis zu verfügen. Ich hatte Mittelwache. Wenn ich mich recht erinnere hatte ich nur immer Mittelwache. Die 11er nutzten ihren besseren Draht zu OMt Schütt und verhalfen uns “Funktionären” immer zu der ungeliebten Mittelwache. Ich stand also Posten auf der Pier. Den Knabüster locker geschultert und die Hände bis halb zum Ellenbogen im Colani. Ich betrachtete das achtere Ende der Tirpitzmole und bemerkte Charly erst, als er direkt hinter mir stand. Verdattert klappte ich die Hacken zusammen. Charly schoss mit kurzem Kopfnicken an mir vorbei. Mitten auf der Stelling blieb er wie angewurzelt stehen, drehte sich ganz langsam um und kam zurück. Mir wurde ganz anders, wusste ich doch, dass schon eine zerknitterte Fliege, vielleicht gar eine mit Gummiband, Charly aus der Fassung bringen konnte. Er musterte mich misstrauisch, ich hatte aber die Hände wieder draußen, und er fand nichts zu tadeln. Irgendetwas hatte ihn aber gestört, aber er kam nicht drauf. Kopfschüttelnd ging er an Bord.
Am nächsten Morgen muss er sich wohl die Bilder seines fotografischen Gedächtnisses angesehen haben. Er rief mich zu sich. “Wenn Sie grüßen, dann nehmen Sie das nächste Mal die Hände aus den Taschen!” Vielleicht hatte er auch kein fotografisches Gedächtnis, sondern er war gar nicht so streng, wie man ihm nachsagte. Bodo Wetzel

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