Döneken Nr. 11 - 20



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Sylvester 1965 hatte ich von 20 bis 24 Uhr Wache auf der Tirpitzmole. Ich hatte eine Flasche Sekt gekauft, um sie Mitternacht mit ein paar Kameraden zu leeren. Daraus wurde nichts, da so ein Dummkopf auf die Idee gekommen war, eine Munitionskammer unter Wasser zu setzen. Das bedeutete für die anwesende Mannschaft Alkoholverbot. Geschrieben am 01.01.1966. Heinz Albers


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Übrigens: An den 31.12.1965 erinnere ich mich auch noch gut. Im Funktionärsdeck hatte jemand bei Wachwechsel gegen 20.00 Uhr ein Klirren vernommen. Das war die Sicherungsscheibe über der Spindel vom Flutungsventil für die Munikammer. Wir wurden achterlastig. Riesentheater! Ich musste gegen Mitternacht Alibilisten führen (vielleicht wurde da mein Wunsch geboren, Kriminalbeamter zu werden?!). Am Neujahrsmorgen kam der MAD an Bord und natürlich auch der Kommandant.
Gegen Mittag holten die Feldjäger einen Obergefreiten von den Seeziegen von Bord, er hatte aus Frust "geflutet". Und wir fuhren nach Jägersberg rüber und mussten die feuchte Munition ausladen. Klaus Reher


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Ich kam Anfang Oktober 1964 als frischer Maat von der MUS auf Z 1. Zwar hatte ich schon 12 Monate Z 5 "absolviert", aber es war schon ein Kulturschock.
Mit dem Hartmut Knoll (Torpedomixer) begab ich mich nach dem Abendbrot in einen nahe der Tirpitzmole befindlichen Bunker um dort "Seite pfeifen" zu üben. Sowas lernte man in Plön nämlich nicht und wir wollten ja möglichst nicht schon in den ersten Bordtagen im neuen Amt auffallen.
Als wir erschöpft wieder an Bord kamen, erwarteten uns "Jungfüchse" einige "Alte" und forderten unverhohlen Einstand von uns. Wir vertrösteten auf das kommende Wochenende und dachten die Angelegenheit sei erledigt. Wir hatten nicht mit dem Durst der Schluckspechte gerechnet, denn gegen Mitternacht wurden wir unsanft wachgerüttelt und in den U-Raum "befohlen", wo einige Trinkfeste noch tagten. Ich erinnere mich, dass Friedel Gröne, Pitt Schütt und Hänschen Drilling anwesend waren. Um eine Verleumdungsklage zu vermeiden, behaupte ich nicht, dass auch der Funker Franz M. (Name der Redaktion bekannt) anwesend war!! Jedenfalls mussten "Los Knollos" und ich im Schlafanzug bis gegen 04.00 Z mitzechen. Wir haben in den nächsten Wochen ähnlichen Anordnungen nicht mehr widersprochen. Klaus Reher


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Ich war als MD 41 (T2 und K1) in der Zeit vom 01.04.65 bis 31.05.66 als Gefreiter dabei.
Bin einer der Kumpels, die mal über Bord gingen.
Ich kann mich daran erinnern, dass wir uns zur Wachablösung (Turbinenraum 1) hinter dem Geschütz C sammeln mussten. Schwimmwesten waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht angeordnet (die waren eh verpönt. "Was will das Meer von uns?", so die Sprüche der Heizer). Dann jedoch ging alles blitzschnell. Eine große Welle von Steuerbord und die Schräglage von mehr als 43 Grad rissen uns vom Schiff. Ich war urplötzlich mit zwei anderen Kameraden im Wasser, und sah mein Schiff nur noch von hinten. Eine Rettungsinsel, die mit über Bord gegangen war, sollte unser Glück sein. Einer von uns war schon in der Insel. Ich sollte das Glück haben, als zweiter dort zu sein. Der dritte Kumpel wurde von mir an den Haaren festgehalten. Ob es nun eine kurze Welle war oder nicht, kann ich nicht mehr sagen. Ich weis nur, dass es wegen des Wellengangs sehr schwer war, in diese Insel zu kommen. Der Nichtschwimmer aus Hamburg war wohl Wehrpflichtiger. Er hatte sich schwere Verletzung am Bein zugezogen. Der Kamerad Becher war damals böse auf den Stahlseilen an Oberdeck gelandet.
Was ist mir sonst noch an Erinnerungen geblieben? Eine schöne Zeit die ich nicht vergessen und missen möchte. Einziger Nachteil heute noch, trotz vieler Auslandreisen ans Meer, ich kann immer nur bis zum Brustkorb ins Meer gehen. Bekomme bei tieferen Stellen Panik und Atemnot. Peter Buderath


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Peter, ich erinnere mich sehr gut an diese Situation im September 1965, als wir mit 5 Zerstörern und 3 Fregatten im Skagerrak bei rauher See Manöver fuhren. Auf dem Oberdeck befand ich mich und habe alles beobachten können: von der plötzlichen Schlagseite, dem Wegreißen der Rettungsinseln bis zu eurem Auffischen. Ein Nichtschwimmer war dabei. Euer Glück war, dass gleichzeitig zwei Rettungsinseln über Bord gegangen waren, die sich bei Kontakt mit dem Wasser selbsttätig aufbliesen. Einer der Kameraden (der Nichtschwimmer, den du an den Haaren über Wasser gezogen und damit vor dem Tod durch Ertrinken gerettet hattest) saß später auf dem Deck unseres Schiffes und beklagte sich bei mir darüber, dass seine Armbanduhr vom Meerwasser ruiniert wäre. Andere Sorgen hatte er nicht. Das waren Nachwirkungen des Schocks.
Ich war vom Backen und Banken unterwegs von der Cafeteria über das Oberdeck in Richtung Wohndeck (einen geschützten Gang gab es nicht) und befand mich während der Krängung unmittelbar neben dem Geschützturm C, der mir bedrohlich auf die Pelle rückte. Irgendwann hatte ich gehört, dass die Geschütze bei einer Schlagseite von 45 Grad sich lösen und ins Meer fallen, um die momentane Kopflastigkeit des Schiffes zu beseitigen. Damit soll das Kentern vermieden werden. Meine Befürchtung war, von dem tonnenschweren Stahlkoloss "Turm C" zerquetscht zu werden. Fortbewegen konnte ich mich nicht, da ich vollauf damit beschäftigt war, mich an einem Halteseil festzuklammern, um nicht kopfüber nach unten zu stürzen. Zu meinem Glück kam es nicht zum Ausklinken der Geschütze, denn der Zerstörer richtete sich gerade noch rechtzeitig wieder auf. Unmittelbar darauf kam die seitliche See über das Deck gerauscht und fegte euch ins Meer. Diese Welle sorgte auch für einen Wassereinbruch in unserem Notfunkraum, in dem ich mein Saxophon aufbewahrte. Durch das Salzwasser wurde dessen Lackierung angegriffen. Wir hatten alle sehr, sehr viel Glück an diesem Tag! Heinz Albers

Fletcher-Zerstörer bei 45 Grad Krängung
Das Bild zeigt Fletcher-Zerstörer in normaler Lage und bei 45 Grad Krängung.



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23.05.1965
Dialog auf der Brücke während des ungeheuerlich spannenden und aufschlussreichen Luftmatratzenfischens:

Kmdt: Ja, machen Sie man ein Boje-über-Bord-Manöver daraus!
????:  Jawoll, Herr Kaptän! 25 Backbord - - 25 Backbord --
Kmdt: Passen Sie auf, dass wir richtig drankommen!
????: (Fährt jetzt einige wilde Manöver durch, der Dampfer kommt nicht richtig an die Luftmatratze.)
Kmdt: So, nochmal neuer Anlauf - Maschinen zurücklaufen lassen - und dann, wenn er nach Steuerbord rüberkommt, aufpassen!
????: (Man hört ihn nur murmeln.)
Kmdt: So, lassen Sie mal langsam Maschine Stopp machen. Und dann sehen Sie zu, dass Sie die Matratze endlich gefischt haben.
????: (Schweißausbrüche etc.)
Kmdt: Da ist sie ja, nun mal los!
           (Endlich ist es geschafft, Boje kommt an Steuerbordseite hart an der Bordwand längsseits.)
Kmdt: Mensch, Mensch, Sie fahren ja wie der allererste Mensch!
IO:      Sie müssen mindestens zweihundert Meter vorher stoppen lassen.
????: Wie bitte? Sonst war der Weg doch viel kürzer.
IO:      Ach was, merken Sie sich das in Zukunft!
????: Jawohl, Herr Kaptän!
Kmdt: Also nee, Sie, bei der geringen Belastung am Sonntag - was Sie sich da einen zurechtgefahren haben. Also nein!

Der Bericht ist authentisch, nicht etwa frei erfunden! Franz Meyn



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Geschrieben am 24.08.1965 in Kiel: Während meines Urlaubs hatte ein Kamerad von uns (auch Funker) einen Selbstmordversuch verübt. Er war betrunken, hatte sich mit einem Kameraden in der Wolle, nahm eine Bierflasche, zerbrach sie und schnitt sich damit den Puls auf. Jetzt liegt er im Krankenhaus, und seine Karriere als Funker ist beendet. In München hatte er außerdem ein Strafverfahren wegen Fahrerflucht am Hals. Heinz Albers



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Als wir 1965 in den Staaten waren hatten wir ja auch Schießübungen. Ich war seinerzeit Seitenrichtmann im Turm Charlie und beim Schießen schoss Turm Delta nach Steuerbord querab. Wir selbst hatten das Rohr noch achteraus stehen und es war eigentlich vorgeschrieben, die kleinen Sehluken wegen der Druckwellen dicht zu machen. Als wir dann den Befehl bekamen "Turm Charlie Feuer nach Steuerbord querab" kurbelte ich sofort los (der Turm wurde von Hand bewegt), als plötzlich der Höhenrichtmann "Stopp" schrie. Ich habe auch sofort angehalten.
Und was dann vom Turmkommandanten an die Brücke durchgegeben wurde, das machte Turm Charlie zum Gespött des ganzen Geschwaders. "Turm Charlie kann nicht schießen, der Höhenrichtmann hat sein Gebiss verloren." Tatsächlich war dem durch die Druckwellen von Turm Delta seine Prothese aus dem Mund geflogen. Wir haben diese dann später im Zahnradkranz des Turmes wiedergefunden. Peter Engler



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Eines Tages hatten wir auch Luftzielschießen, d.h., wir schossen auf einen Luftsack, der hinter einem kleinen Flugzeug hergezogen wurde. Nachdem die 5 inch-Türme ihre Schüsse abgegeben hatten mussten die Turmbesatzungen von Charlie und Delta den Geschützbedienungen der 3 inch-Zwillinge beim Laden der Rohre helfen, damit eine schnellere Schussfolge erreicht werden konnte. Durch einen, wie ich meine, Zufallstreffer erwischte eine Granate das Seil, mit dem der Luftsack gezogen wurde und dieser trudelte langsam der Wasseroberfläche entgegen. Danach wurde seitens der Amis das Schießen sofort abgebrochen. Peter Engler



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Karikaturen von Franz Dieter Meyn. Zum Vergrößern bitte anklicken.


F. Meyn: Seekrankheit   F. Meyn: Gefechtsalarm!    F. Meyn: Der Weckdienst    F. Meyn: Anderes Summen    F. Meyn: Abschiedstränen    F. Meyn: Der Funkmeister arbeitet!



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Auszug aus einem Brief vom 24.03.1966 (Werft Blohm & Voss in Hamburg): Zum Wochenende müssen wir das Schiff verlassen. Es wird dann mit Blausäure-Gas behandelt. Man will damit die Kakerlaken beseitigen. (Nachsatz: Die Aktion war erfolglos.)
Heinz Albers



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"An Kakerlaken litten wir keinen Mangel."
Das schrieb 1897 in seinem Buch "Meine Reise um die Welt" Samuel Langhorn Clemens, aka Mark Twain



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Kakerlaken waren auf unserem Schiff vermutlich noch eher eingezogen als der Mensch. Diese Schmarotzer auszurotten, war unmöglich. Zertrat man eine, folgten ihrer Bestattung tausend andere. Wir rückten den Schaben regelmäßig mit Sprays zu Leibe, die eher geeignet waren, uns zu eliminieren als die Viecher zu minimieren. (Es ist belegt, dass Kakerlaken selbst Atombombentests überlebt haben.) Vor allem in Räumen mit hoher Luftfeuchtigkeit – Spülischapp, Kombüse, Cafeteria – fühlten sie sich ausgesprochen wohl. Gerüchten zufolge soll die eine oder andere Kakerlake auch den Weg in unsere Suppe gefunden haben; Beweise hierfür gab es aber nicht.
Gelegentlich machten sich Kameraden einen Spaß und veranstalteten Kakerlakenrennen. Auf einem Backstisch zogen sie mehrere feuchte Spuren und setzten die zuvor gefangenen Tiere hinein. Die Kakerlaken entwickelten teils eine erstaunliche Schnelligkeit.
Die Wette galt, auf Los ging's los. Und Herrchen des Siegers gewann eine Flasche Bier.
Heinz Albers



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Die Kakerlaken waren auf Zerstörer 1 auch während meiner Dienstzeit (1966/1967) ein großes Problem. Auch nach einer großangelegten Aktion im Kieler Arsenal waren Sie immer noch in großer Zahl vorhanden. Der UvD bekam deshalb zusätzlich zur normalen Bewaffnung eine Spraydose mit einem angeblich speziellen Insektengift. Das wurde beim Rundgang - vor allem in der Kombüse - zielsicher an den schlecht zugänglichen Stellen angewendet, was für ein regelrechtes Gewimmel sorgte.
Auch nicht gerade appetitlich war, dass die Tierchen besonders in Eintöpfen schlecht ausmachbar waren. Vor dem Genuss wurde deshalb erst mal mit der Gabel das Essen durchfurcht, ob sich da nicht etwas Unpassendes verirrt hat. Trotzdem meine Erfahrung Kakerlaken schmecken bitter! Brrr. Karl Heinz Rölz



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Euch ist bekannt, dass wir beim mittäglichen Backen und Banken dafür sorgten, dass wir schnellsten fertig wurden, um entweder in die Koje zu kommen, Platz für die wartenden Kameraden zu machen oder bei gutem Wetter auf der Schanz ein Sonnenbad nehmen zu können.
Nach dem großen Stellenwechsel im April 1966 hatten wir viele Neulinge an Bord. Die meinten, sie könnten gemütlich und endlos lange wie bei Muttern speisen. So standen wir Altgedienten mit unseren vollen Tabletts in der Hand, und es war kein Sitzplatz zu Verfügung.
Eines Tages nun entdeckte ich in der Soße eine kleine tote Kakerlake die ich mit der Gabel herausfischte und den Kameraden zeigte. Die Neulinge guckten entsetzt, während die Alten nur grinsten. Da die Neuen vorher trotz freundlicher und später etwas gröberer Worte immer noch nicht schneller aßen, musste zu härteren Maßnahmen gegriffen werden. Ich legte die Kakerlake also vorsichtig auf das Tablett zurück und begann meine Kartoffeln in der Soße platt zu drücken, natürlich ohne die Kakerlake mit zu verarbeiten. Als ich dann auch noch begann die Kartoffeln zu essen, hatten wir in kürzester Zeit genug Sitzplätze zur Verfügung. Es war zwar nicht die feine Art, aber äußerst wirksam.
Bei den Heizern ging es da schon etwas rauer zu. Wollte ein Neuling nicht schneller essen und gab er noch Widerworte, konnte es ihm passieren, dass er sein Tablett auf dem Boden wiederfand mit der freundlichen Aufforderung, dort weiter zu essen.
Also Heinz, nicht in der Suppe, aber in der Soße war die Fleischeinlage. Peter Engler


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