Auszug aus dem Reisebericht "Venezuela" von Heinz Albers
(Den vollständigen Bericht können Sie in meinem Buch lesen)
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Im Juli 1996 waren wir auf der Isla Margarita in Venezuela. Unser Hotel war das Confortel Playa el Agua Beach, direkt an dem gleichnamigen Strand. Wir bewohnten dort einen Bungalow, der über einen eigenen kleinen Pool verfügte. Das Hotel war gut geführt. Lediglich die nachmittäglichen Bingo-Veranstaltungen sind nicht jedermanns Sache. Die Sehenswürdigkeiten dieser Insel sind rasch abgehakt, nicht besonders bemerkenswert und daher schnell abgehandelt. Zur Isla Margarita gehören die im Westen gelegene Halbinsel Macanao und die an der Meerenge zwischen den beiden Inselteilen gelegene Lagune La Restinga. Macanao besticht durch seine halbwüstenartige Vegetation, die überwiegend aus Kakteenpflanzen und niedrigem Strauchwerk besteht. Sehr schön ist das Profil der Halbinsel anzuschauen, wenn man aus Richtung Osten kommt. Kurz nach Verlassen der Meerenge sieht man gegen den Horizont die dunklen, unbewachsenen Erhebungen Macanaos. Da eine touristische Infrastruktur fast nicht vorhanden ist, sind die zahlreichen herrlichen Sandstrände, die Macanao ringsum wie eine Perlenschnur umgeben, absolut menschenleer. Gelegentlich nur verirren sich kleine Restaurants an der schönen Küste. Freilich sucht man wegen des ariden Klimas Palmen vergebens, und ein "Karibikfeeling" wird sich nicht so richtig einstellen. Im östlichen Inselteil gibt es Palmen, weil sie weitgehend künstlich bewässert, gehegt und gepflegt werden. Die Isla Margarita liegt in der absoluten Trockenzone der Karibik. Die Lagune La Restinga ist berühmt wegen ihrer Mangroven, die in dem Brackwasser der vielen Lagunenkanäle ausgezeichnet gedeihen. Es lohnt sich, während des Aufenthalts auf der Isla Margarita einen Tagesausflug bis nach Punta Arenas am Südwestzipfel Macanaos zu unternehmen. Auf dem Hin- oder Rückweg bietet sich ein Aufenthalt in der Lagune von La Restinga und ein Bootsausflug durch die schönen Kanäle entlang der üppigen Mangrovenwälder an. Allerdings ist zu erwähnen, dass die Umweltbelastung La Restingas durch die vielen Motorboote enorm ist. Ornithologen und Ruhesuchende sollten in den frühen Morgenstunden aufbrechen. Nur wenn man alleine mit dem Boot in den Kanälen unterwegs ist, kann man ungestört die exotische Vogelwelt beobachten.
Das Strandleben an der weitläufigen Playa el Agua ist beschaulich. Ein Remmidemmi ballearischer Art wird man an dem drei Kilometer langen Strand nicht finden. Die Touristen bevölkern überwiegend die mittleren Strandabschnitte, die zu ihren Hotels gehören. Etwas außerhalb dieser Bereiche ist das Meeresufer menschenleer. Das Karibische Meer ist an diesem Strand warm und klar und flach abfallend. Die Brandung ist moderat. Gelegentlich stören die Ultraleichtflugzeuge, die in geringer Höhe laut knatternd über den Strand fliegen. Da sich an dieser Stelle die Schilderung touristischer Highlights erschöpft hat, werden wir die Insel verlassen müssen, wenn wir Besonderheiten erleben wollen. Reiseagenturen bieten Touren
aller Art an: Jeepsafaris, Flüge auf Nachbarinseln oder auf das Festland
zu den Indianern am Orinoco oder in den unermesslichen Regenwald.
Schauen Sie sich um! |
Wir mussten den See mit schmalen hölzernen Langbooten der Indios überqueren, um unser nächstes Ziel zu erreichen. In unserem Boot stand schon vor der Abfahrt eine Handbreit Wasser, das bei dem einen oder anderen Passagier ein ängstliches Minenspiel verursachte. Die Schwimmwesten sorgten dann allerdings wieder für eine kleine Beruhigung. Am Heck befand sich der Außenborder, gesteuert von einem Einheimischen. Unser Boot legte ab, um das Gewässer zu überqueren. Laut tosend brach das Wasser über die Bruchkante und
prallte neben uns auf den See. Wellen bildeten sich. Überall sprühte
Gischt und ließ kleine Regenbögen entstehen. Der Außenborder quälte sich
heulend gegen die von den Fällen herabstürzenden Strömungen nur mühsam
und unter lautem Protest voran. Spritzender Wasserschaum, Donner und
Wirbel kamen uns querab entgegen. Der Bootsführer sorgte zudem durch
geschickte Manöver dafür, dass seine zwanzig Insassen auch in Kontakt
mit dem nassen Element kamen. Gelegentlich schwappte die Krone einer
Woge in unser Boot und erhöhte den Wasserstand in ihm bedenklich. Hosen
und Schuhe waren längst nass geworden. Die Gesichter der meisten Gäste
an Bord zeigten keinen Enthusiasmus. Woran denkt man in so einer
Situation? Macht sich Angst breit?
Bemerkenswert und einzigartig hieran ist, dass sich
unterhalb der Bruchkante in der gesamten Länge eine etwa zwei Meter
hohe, halbrunde Ausbuchtung befindet, die es einen ermöglicht, den
Katarakt in seiner ganzen Länge zu hinterwandern. Der "Weg" ist etwa 150
Meter lang und mündet auf einer kleinen Insel im Fluss Rio Carrao. Bei
normalem Wasserstand ist diese Wanderung bestimmt ein lustiges
Unterfangen. Allerdings hatten wir sintflutartige Massen über und neben
uns. Folgendes Bild ergibt sich daraus: Rechts und oben ist
ausgehöhlter, ausgeschlagener Fels, wie in einer engen, halbdunklen
Höhle, links Wasser. Braunes Wasser aus dem Dschungel in einer Dicke von
fünf Metern, das mit atemberaubender Geschwindigkeit in greifbarer Nähe
tobend und schäumend hinab donnert in ein Tosbecken, von dem es in einem
Gischt- und Sprühnebel wieder zurückgewirbelt wird, um dann in
tiefgründenden scheinbar unendlichen Strudeln endlich wegzutreiben. Hier
kann man sein eigenes Wort nicht hören. Dieser Anblick war Anlass für
etliche Touristen, keinen Schritt weiter zu gehen. Am Eingang zu diesem
Durchgang kleideten wir uns in Badesachen. Kleidung und Kameras
verschwanden in wasserdichten Säcken, die von Indios an das andere Ende
des "Tunnels" getragen wurden. Dann folgten wir im Gänsemarsch. Immer
wieder rieben wir uns die Augen trocken, um etwas sehen zu können.
Unmittelbar links der tosende Wassersturz - der absolut sichere Tod.
Rechts teilweise in Körpernähe der nasse Fels. Unter unseren Füßen der
glitschige Stein. Reste eines Halteseils lagen auf dem Boden, keine
Sicherung, nur infernalischer Lärm und wehende Feuchtigkeit. In den
Augen immer wieder die Sicht hemmende Gischt. Vorwärtstasten, Meter um
Meter, unentwegt den Blick auf den Vordermann fixiert. Am Ende: Licht,
Aufatmen, ehrfurchtsvolles Erschauern, Gänsehaut, Zittern, Faszination,
Erleichterung, allenthalben Sprachlosigkeit, Ungläubigkeit - je nach
Temperament. Jedoch bei allen - Schweigen! Ein ungläubiger
nachträglicher Blick auf die brüllende Wasserwand. Der Hölle entronnen!
Erst langsam kommt die Sprache und Kommunikation wieder und versucht
vergebens, das Erlebte zu formulieren. Meine Frau sagte nach einer Weile
erleichtert seufzend: "Gut, dass wir da nicht noch einmal durch müssen."
Wie gesagt, Ziel des Weges hinter dem Salto el Sapo entlang ist eine
Insel. Nach einem kurzen Aufenthalt machten wir uns auf den Rückweg,
wieder durch den unerschöpflichen Salto el Sapo. Und es war gar nicht
mehr so schlimm. Diese eigentümlichen Gesteinsmassen liegen mit ihren senkrecht aufstrebenden Wänden wie Bauklötze von Giganten verstreut auf diesem Teil der Erde; unerforscht, eine fremde, endemische Welt beherbergend. Tepuis gibt es sonst nur noch in Afrika, und zwar in Guinea, genau dort, wo einstmals in grauer Vorzeit die Erdteile Südamerika und Afrika zusammengefügt waren. Wir sahen wegen der dichten Bewölkung den Salto Angel
nicht.
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