Zugegeben, die Überschrift ist etwas seltsam. Sie
bietet auf Anhieb keine Assoziationen zu dem an, was man gemeinhin in
einem Reisebericht über Mexico zu finden hofft. Sie und ich werden uns
gemeinsam der Sache behutsam nähern müssen. Und am Ende werden wir
hoffentlich einer Meinung sein, dass die folgenden Geschichten
erzählenswert gewesen sind.
1998 und 2002 waren wir in Mexico. Die erste Reise führte uns in die
Gegend von Puerto Vallarta am Pazifischen Ozean, in einen Ort, der vor
allem Filmgeschichte geschrieben hat. Richard Burton und Ava Gardner
drehten hier unter John Hustons Regie den Film "Die Nacht des Leguan".
Im Tross Richard Burtons befand sich Liz Taylor. Diese beiden
präsentierten der Öffentlichkeit ihr heißes Liebesleben, das
sensationsgierige amerikanische Journalisten und in deren Gefolgschaft
wiederum eine große Touristenschar anlockte. Ohne diese beiden Mimen
hätte sich die Stadt nicht so rapide zu einer Touristenmetropole
entfaltet.
Puerto Vallarta hat eine schöne Kathedrale und eine imposante Bucht mit
vielen schönen Stränden. In dieser amerikanisierten Stadt und der
Umgebung gibt es aber mehr zu sehen:
Es gibt eine sehenswerte Fauna vom Buckelwal über das Krokodil bis zum
Kolibri, aber auch eine üppige Flora von seltenen Tropenhölzern bis zur
Orchidee.
Die archäologische Erfassung der Gegend hinkt zwar etwas hinterher, aber
dennoch sind über 30 Stellen bekannt, an denen große Findlinge mit
unbekannten Schriftzeichen, aber auch Ton- und Steingutfragmente,
Figuren und Gefäße gefunden wurden und werden.
Eine besondere Sache sind die 2 Erdpyramiden bei Ixtapa, die öffentlich
zugänglich, aber fast unbekannt sind. In der Umgebung liegen kleine
Dörfer und alte Silberminenstädte die höchst sehenswert sind. Ganz
besonders wichtig sind auch die Huichol-Indianer, jenes Volk, welches
bis heute seine Lebensgewohnheiten und Sprache seit der Zeit der Azteken
beibehalten hat.
***
Unsere Reise 2002 hatte Acapulco
zum Ziel. Ein Spiegelbild von Puerto Vallarta? Durchaus. Denn ohne den
amerikanischen Film, den Musiker Teddy Staufer und den Tarzan-Darsteller
und Olympiasieger Johnny Weismüller mit seiner Hollywood-Connection
hätte sich Acapulco nicht so entwickelt, wie es heute ist. Auch hier
gibt es eine imposante Bucht am Stillen Ozean mit zahlreichen Stränden.
Nur ist in Acapulco alles viel außerordentlicher, dominierender und
wolkenkratziger als in Puerto Vallarta. Es ist eine nimmer schlafende
Megastadt mit Glanz und Flitter, die im Vergleich die meisten
europäischen Metropolen wie finstere Vororte aussehen lässt. Eines haben
Puerto Vallarta und Acapulco noch gemeinsam: von Mitte Januar bis Ende
April wartet man dort auf Regen meist vergebens.
Von Acapulco aus traten wir eine Rundreise an, die uns auch in die in
den Bergen gelegene alte Silberstadt Taxco, nach Teotihuacan und Mexico
City brachte.
Während Teotihuacan zum Beginn unserer Zeitrechnung mit vermutlich über
100.000 Einwohnern sicher eine der größten Städte der Welt war, führt
dieses Prädikat heute die quasi nebenan liegende Hauptstadt Mexico City.
Weit über 28 Millionen Menschen sollen dort leben.
Und hier haben wir das größte und beste Steak unseres Lebens gegessen.
Nach einem fürchterlich langen Reisetag mit überwältigenden Eindrücken
und strapaziösen Fußmärschen bei brüllender Hitze fielen wir abends in
der Zona Rosa erschöpft, durstig und hungrig in das erstbeste Restaurant
ein. Es war ein argentinisches Steakhaus, der Buenos Aires Grill, in dem
man in einem verglasten, hübschen Vorbau unmittelbar und klimatisiert an
einer Promenade sitzen konnte.
Vierhundert Gramm Arrachera. Wie, bitte?
Je ein Arrachera-Steak, über 400 Gramm schwer, mit exotischen Salaten
und kühlem Weißwein aus Chile und Bier aus Mexico aus geeisten Gläsern
bestellten wir uns. Ja, Arrachera kannten wir in diesem Moment auch
nicht. Dieses Gericht hatten wir nur bestellt, weil es sich so gut in
der Karte las und so fremdartig klang. Wir haben diese Wahl nicht
bereut.
Bis dahin hatte ich eine Steak-Rangfolge für mich konstruiert, an der
sich alles, was sich "Steak" nennt, eingliedern und bewerten lassen
muss. Die Rangfolge war seit über 35 Jahren unverändert so, dass das
Steak, das ich 1965 in Boston (Massachusetts) im "Black Angus" gegessen
hatte, bis zu diesem denkwürdigen 18. April 2002 die unangefochtene
Spitze darstellte; es war vom Geschmack und der Zubereitung perfekt.
Dann gab es noch einen zweiten Platz, mehr der Show als des Genusses
wegen, ein flambiertes Pfeffersteak von 1963, gegessen in der
Nachbarschaft der Champs-Elysees in Paris. Dicht paniert mit zerstoßenen
schwarzen Pfefferkörnern wurde es aufgetafelt und dann an meinem Tisch
mit Cognac übergossen und angezündet, wobei eine erstaunliche
Stichflamme entfacht wurde. Vermutlich entstand so im Jahre 586 der
große Brand, der das damalige Paris vernichtete und in Schutt und Asche
legte. Wer weiß, vielleicht sind die Franzosen ihrer Hauptstadt heute
wieder überdrüssig? Der dritte Platz ging an ein Steak, das auch wegen
der Servierhöhe zu diesem Ehrenplatz gelangte. Während eines Fluges mit
der Singapore-Airlines von Frankfurt nach Singapur wurde dieses Steak in
elf Kilometer Höhe aufgetragen; es war wirklich ausgezeichnet. Alle
anderen Steaks - es mögen bis heute viele hunderte gewesen sein - waren
nur Fleischgerichte und verdienen keine besondere Erwähnung. Das gilt
auch für meine eigenen Kreationen.
Und das Arrachera? Holen Sie jetzt mal Ihre Phantasie und
Geschmacksknospen an den Bildschirm. Stellen Sie sich ein hölzernes
Servierbrett von 30 mal 25 Zentimetern vor, rundherum umgeben von einer
Saftrille, dazu ein Messer, das in freier Wildbahn getragen durchaus
dazu dienen könnte, den Träger zu kriminalisieren. Das Steak? Vierzig
Zentimeter lang (pardon, das ist so viel, wie Ihr 17-Zoll-Monitor breit
ist), 10 Zentimeter breit und zweieinhalb Zentimeter dick. Und weil es
in seiner Länge nicht auf das Servierbrett passte, war das eine Ende
umgeschlagen.
Wer soll das alles essen? Müssen wir mit anderen Gästen teilen? Kommt
noch jemand? Das waren unsere ersten Gedanken. Beschwichtigend redeten
wir uns ein, dass ja immer etwas Verschnitt da sei und damit so viel an
Essbarem gar nicht überbliebe.
Wir mussten nicht teilen, es gab auch keinen Verschnitt. Das Messer und
sogar die Zähne hätte man sich sparen können. Das war reine und saftige
Zartheit in Vollendung. Ein Saft entströmte dem Fleisch, der nicht eine
Spur von Blut enthielt, der einfach nur eine klare Flüssigkeit war, der
den Mund überlaufen ließ und uns vor Begeisterung fast betrunken machte.
So etwas hätte man für die Nachwelt fotografieren müssen! Aber, lieber
Leser, wer knipst schon sein Essen in einem Restaurant? Übrigens hätten
wir das gar nicht gekonnt, denn die Akkus der Digitalkamera waren
erschöpft. Wie wir.
Und so ist der Übergang zu meiner zweiten Story gelungen. Wir befanden
uns am 25.04.2002 in Acapulco im Flughafengebäude. Unser Gepäck war
längst im Erdgeschoss abgegeben, gewogen, stichprobehalber durchsucht,
dann geröntgt und auf einer Karre unterwegs zu unserem Flug MX 508 nach
Mexico City. In der oberen Etage des Flughafengebäudes fand die
Personen- und Handgepäckkontrolle statt, der wir uns nun zu stellen
hatten. Nachdem die Fototasche über das Transportband in dem
Heilmann-Automaten zur Durchleuchtung verschwunden war wurde ich vom
Personal angesprochen, ob wohl mehrere Akkus in der Tasche seien.
Natürlich, bestätigte ich, denn wer kommt schon bei einer Digitalkamera
mit nur einem Batteriesatz aus? Es sei, so sagte man mir höflich aber
bestimmt, nicht zulässig, mehr als den Satz in der Kamera mit ins
Flugzeug zu nehmen, den Mehrbestand müsse ich in meinem Koffer
unterbringen. Und die waren auf dem Weg zum Flugzeug oder gar schon in
ihm. Andererseits mochte ich die Akkus nicht in Acapulco lassen; denn es
waren 12 Stück und hatten etwa 60 Euro gekostet. Aber das
Flughafenpersonal war freundlich, geduldig und hilfsbereit. Ich solle
nach unten zum Gepäckschalter zur Aufsicht gehen und dort fragen, ob man
mir helfen könne. Mit langen Schritten eilte ich über scheinbar endlose
Gänge und Treppen zurück an die Schalter. Zwischen Wartenden und
abgestellten Koffern hindurch bahnte ich mir den Weg zu der richtigen
Abfertigung. Hilfesuchende Blicke trafen hilfreiche Menschen. Señor
Morales, Supervisor von der Mexicana, wurde mein Ansprechpartner. Nach
Schilderung der Angelegenheit verlangte er von mir eine genaue
Beschreibung der Koffer, die Akkus, den Kofferschlüssel und die
Kombination für die Schlösser. Bevor er etwas gestresst wegging rief er
mir noch zu, dass ich ihn später oben im Boardingbereich treffen würde;
ich solle dort auf ihn warten.
Was befand sich schon großartig in den Koffern? Schmutzige Wäsche, fast
die komplette Urlaubsgarderobe, etwas Silberschmuck aus Taxco, ein paar
Souvenirs, etwas Obsidian aus Teotihuacan...
Und dann haben wir bis zuletzt auf Señor Morales gewartet, der nicht in
den Boardingbereich gekommen ist. Und unsere Urlaubsbekannten wollten
immerzu von mir bestätigt bekommen, dass ich diesem Mann Schlüssel und
Kombination für unsere Koffer gegeben habe. "Du kennst doch diese
Südländer.... die Menschen sind arm.... deine Naivität.... die
Mentalität dieser Leute.... Mensch, Heinz...."
Später saßen wir im Flugzeug und warteten auf den Start. Da öffnete sich
noch einmal eine Tür und Señor Morales erschien, suchte uns mit seinem
Blick, fand uns und gab uns die Kofferschlüssel mit der Bemerkung
zurück, dass alles in Ordnung sei. Ich hatte mir für ihn 50 Peso als
kleine Belohnung zurechtgelegt. Mit einem knappen "No, Señor!" lehnte er
ab und verschwand eilends.
Zu Hause stellten wir dann fest, dass die Akkus sich nicht in dem grauen
Koffer befanden. In dem grünen waren sie.
© Heinz Albers, November 2002, ergänzt 2008 mit Textteilen (Tourismus
Puerto Vallarta) von Claudio Giovannelli.
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