Cayo Levantado 1993 Auszug aus dem Reisebericht Den vollständigen Artikel lesen Sie in meinem Buch
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Unsere erste Fernreise führte uns im Sommer 1993 in die Dominikanische Republik. Für uns, Angelika, Lisanne und mich, war schon die Planung ein Großereignis, die lange Zeit beanspruchte und ausgefüllt war mit dem Studium von Katalogen, Atlanten und Reiseführern. Unser Budget erlaubte uns erstmals, über den Tellerrand des europäischen Kontinents hinwegzureisen. Davor waren wir ein Jahrzehnt treu und brav nach Frankreich in die Vendee gefahren; nun durfte es mal etwas mehr sein. Warum wir gerade die Dominikanische Republik als Reiseziel gewählt hatten, können wir heute nicht mehr mit Sicherheit sagen. Bestimmt waren das wirklich gute Preis-/Leistungsverhältnis und die schönen Bilder in den Katalogen ausschlaggebend für unsere Entscheidung. Wir buchten für drei Wochen ein Hotel an der Costa Dorada bei
Puerto Plata über den Reiseveranstalter "Transair". Als wir wenige Tage nach der
Buchung einen Videofilm über Touristikziele in der Dominikanischen Republik
sahen, waren wir sofort dem Reiz der kleinen, in der Bucht von Samana gelegenen
Insel Cayo Levantado erlegen. Kurzerhand wurde das Reisebüro aufgesucht, und das
Ziel wurde gegen einen saftigen Aufpreis geändert (wobei sich das oben gerühmte
Preis-/Leistungsverhältnis stark verwässerte). Der Flughafen Puerto Plata war zu jener Zeit eine unübersichtliche Baustelle, bestehend aus lauter Provisorien. Überall waren Gerüste errichtet worden, Baumaterial stapelte sich, Staub flog. Viele fleißige Hände bemühten sich ohne Unterstützung von Maschinen und Kränen, ein neues Flughafengebäude zu erstellen. Allenthalben Absperrbänder und Holzzäune. Die Landung erzeugte in uns zunächst das Gefühl, es müsse das Meer als Landebahn herhalten. So nah waren sich Piste und Atlantik. Wir verließen das Flugzeug auf der Rollbahn und mussten die 100 Meter zum Gebäude zu Fuß zurücklegen. Mein erster schlimmer Verdacht war, dass meine Hose brennen würde, so hoch war die von der erhitzten Asphaltdecke reflektierte Hitze, die in den Hosenbeinen meiner Jeans hoch stieg. Dazu diese eigenartige Atmosphäre, eine Verschmelzung von Hitze, Sonne und Luftfeuchtigkeit, dazu die Klänge karibischer Musik, die aus der Ferne an unsere Ohren drangen. Dieses alles verursachte in uns einen Zustand des allgemeinen Wohlbefindens, der uns heute noch befällt, wenn wir die Tropen bereisen, der eine Sucht in uns entfacht hat, die ganz offensichtlich unheilbar ist und von uns in keiner Weise bekämpft wird. Im unklimatisierten Flughafengebäude standen wir bei treibhausähnlichen, schweißtreibenden Temperaturen und warteten eng an eng gedrängt mit hunderten anderer Touristen auf unsere Koffer, die uns nach schier endlos scheinender Zeit von einer schiefen Ebene aus entgegen purzelten. Der Transfer über eine von Palmen gesäumte Straße zu unserer
Insel wurde mit einem klimatisierten Kleinbus durchgeführt, in dem wir die
einzigen Insassen waren, die Cayo Levantado als Bestimmungsort hatten. Vorbei an
den Touristenorten Sosua und Cabarete steuerten wir der Abgeschiedenheit der
Halbinsel Samana, die im Osten der Dominikanischen Republik liegt, entgegen.
Irgendwo unterwegs machten wir an einer Bretterbude eine kleine Pause und hörten
Merengue-Musik. Die Straße war durchweg in einem guten Zustand, an einigen
Stellen jedoch eingeengt, weil der Fahrbahnrand zum Trocknen der Ernte genutzt
wurde. Mit viel spanischem Geplapper wurden wir von dem Busfahrer
ausgesetzt, der uns dann mit seinem Fahrzeug eilends verließ. Unbekannte
Vogelstimmen und Geräusche und Düfte erreichten uns. Langsam zog die Dämmerung
herauf. Die Luft umhüllte uns wohlig wie ein warmfeuchtes Tuch. Am Strand befand
sich an einem schmalen Steg ein kleines sanft hin und her dümpelndes Boot, ein
paar andere lagen umgestülpt im Sand. Schweine liefen grunzend zwischen ihnen
nach Essbarem scharrend und durch den Rüssel den Sand aufstaubend umher;
irgendwo krähte ein stimmbrüchiger Hahn. Leise kam das Meer diskret ans Ufer und
zog sich stets sanft rauschend wieder zurück. Der Bootsführer, ein hagerer, etwas mürrischer dreinblickender Mann, sprang auf den Steg, grüßte uns kurz, nahm sich ohne viel Federlesens zwei unserer Koffer, verstaute sie in seinem Boot und bedeutete uns, ihm mit dem restlichen Gepäck zu folgen und einzusteigen. Auf den Sitzbrettern nahmen wir Platz, und der Kahn tuckerte langsam davon. Auf den Lippen spürten wir leichten Salzgeschmack. Die kleine Nussschale bewegte sich in dem Dämmerlicht langsam um den Felsvorsprung herum. Und dann sahen wir in ein paar hundert Metern Entfernung im Goldglitzer der letzten Sonnenstrahlen die palmengesäumte Silhouette von Cayo Levantado. Unsere Herzen schlugen höher. Eine Rührung überfiel uns, so schön war das Bild. Die Fahrt mit dem Boot dauerte vielleicht zwanzig Minuten. An
einem Steg wurden wir erwartet und von dem sehr freundlichen Personal des "Cayo
Levantado Beach-Hotels" begrüßt. Eine kleine Band spielte für uns
Merengue-Musik, die uns während unseres Aufenthalts stets begleiten sollte.
Die Halbinsel Samana ist grün und mit Millionen von Palmen bewachsen. Eine grüne, üppige Vegetation setzt eine ausreichende Menge an Regen voraus. Und Regen hatten wir wirklich ausreichend bzw. reichlich. Tatsächlich fällt in diesem Bereich erheblich mehr Regen als in anderen Teilen der Dominikanischen Republik. Findige Reisevermittler haben für Cayo Levantado den Namen "Bacardi-Insel" geprägt. Sie erzählen ihrer gutgläubigen, naiven Klientel auch heute noch, dass dort einst ein Werbefilm für Rum gedreht worden sei. Nichts davon stimmt; niemals wurde dort ein derartiger Spot produziert. Dennoch hat sich diese Lüge festgesetzt. Fragen Sie mal, liebe Leserin und lieber Leser, Leute, die in der Dominikanischen Republik gewesen sind. Den Namen "Cayo Levantado" werden nur wenige kennen. Aber die "Bacardi-Insel" kennen alle.
Das Hotel gibt es leider nicht mehr; es findet zur Zeit kein Tourismus dort statt. Die Dominikanische Republik präsentierte sich 1993 als Reiseziel, das noch nicht von den Touristen versaut war, die aus jedem Fleck der Erde ein zweites Ballermann machen müssen und ihre negativen Spuren gleich einer Heuschreckenplage überall hinterlassen. Damals waren jedenfalls die meisten Fernreisenden noch mit einem gewissen Niveau ausgestattet. In den folgenden Jahren sind einige Orte in der Dominikanische Republik wegen der Säuferströme in Verruf geraten. ********* Wie ich erfahren habe, hat Ende 2006 auf Cayo Levantado ein Fünf-Sterne-Hotel mit dem Namen "Gran Bahia Principe Cayo Levantado" mit 202 Zimmern, mehreren Restaurants und Bars, 3 Tennisplätzen und 3 Swimmingpools eröffnet. Also eine Anlage mit relativ großem Platzbedarf. Es drängt sich die Frage auf, wo bei ausgebuchtem Hotel die mehr als 400 Hotelgäste und die unzähligen Tagesbesucher bleiben sollen. Dann wird es auf dieser kleinen Insel sehr, sehr eng. Es sei denn, dass man den herrlichen Wald abgeholzt hat. Von Karibik-Feeling wäre dann allerdings nicht mehr viel zu spüren. Zwischenzeitlich gibt es die ersten Berichte, die sich anfangs vor allem negativ mit der noch nicht komplett fertig gestellten Hotelanlage und dem schlecht ausgebildeten Personal auseinander gesetzt haben. Die entsprechenden Pannen werden sich im Laufe der Zeit vermutlich legen. Unterm Strich scheint die Kundschaft die beengten Verhältnisse offenbar zu akzeptieren.
© Heinz Albers 2002, aktualisiert 2007 Das Luftbild von Cayo Levantado stellte mir Michael Rasch (+) zur Verfügung. Cayo Levantado aus 960 m Höhe © Google Earth Die größte Ausdehnung von West nach Ost |
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